Stephan Rieke und Christian von Hiller, Investment Office Private Wealth Management ODDO BHF

Neue US-Visaregeln: Teures Ärgernis, aber kein Technologie-Blocker

Die Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump zieht wieder einmal die Aufmerksamkeit der Finanzmärkte auf sich. Dieses Mal setzt er mit zwei Verordnungen in der Einwanderungspolitik neue Rahmenbedingungen für Unternehmen, die in den USA tätig sind. Bekanntgegeben wurde eine Art Zoll auf „importierte“ Arbeitskräfte. Die Maßnahmen haben arbeitsmarktpolitisch aber nur begrenzte Bedeutung, und die Kosten sind überschaubar. Daher sollten die neuen Regelungen keine Breitenwirkung an den Märkten entfalten. Einzelne Unternehmen könnten aber durchaus empfindlich getroffen werden.

Zum einen führen die USA nun die im Februar angekündigte „Gold Card“ ein. Sie soll es Ausländern ermöglichen, sich gegen Zahlung von einer Million Dollar in den USA niederzulassen. Unternehmen, die auf diesem Wege ausländische Fachkräfte in die USA bringen wollen, sollen zwei Millionen Dollar pro Kopf bezahlen. Das Kontingent ist laut Handelsminister Howard Lutnick auf 80.000 „Gold Card“-Visa begrenzt. Darüber hinaus solle es eine „Platinum Card“ für 5 Millionen Dollar geben, die dauerhaft einen Aufenthalt von bis zu 270 Tagen im Jahr in den USA (ohne Steuerpflicht in den USA für außerhalb der USA erzielte Einkünfte) ermöglichen soll und wohl vor allem als Angebot zur Steuervermeidung zu sehen ist.

Die zweite Verordnung trat am vergangenen Sonntag in Kraft und regelt die sogenannten H-1B-Visa neu. Diese Form der Arbeitserlaubnis nutzen bisher besonders Tech-Unternehmen, um ausländische Fachkräfte in den USA zu beschäftigen. Sie sind nicht für eine dauerhafte Einwanderung gedacht. Bisher verlangten die US-Behörden für dieses Arbeitsvisum eine Bearbeitungsgebühr von wenigen Tausend Dollar. Nun soll diese auf 100.000 Dollar steigen. H-1B-Visa haben eine Gültigkeit von drei Jahren. Lutnick erklärte zunächst, die Gebühr solle in jedem dieser drei Jahre anfallen. Doch laut Trumps Sprecherin Karoline Leavitt handelt es sich um eine einmalige Gebühr, die nur für den Antrag gelte. „Es handelt sich hierbei NICHT um eine jährliche Gebühr“, schrieb Leavitt auf X.

Die neue Regelung für H-1B-Visa trifft zum großen Teil indische Fachkräfte, die rund 70 Prozent der ausländischen Beschäftigten in der amerikanischen IT-Industrie stellen. Die Gebühr könnte die Tech-Unternehmen zwingen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern und die Position der USA, so eine Befürchtung unter Aktienanalysten, im Wettbewerb mit China schwächen. Wer nun jedoch glaubt, dass indische IT-Unternehmen von dieser neuen Steuer profitieren würden, sah sich diese Woche getäuscht. Ihre Bewertung fiel am Montag dieser Woche an der Börse Mumbai um zusammengenommen knapp 10 Milliarden Dollar. Denn auch indische IT-Unternehmen profitieren davon, wenn talentierte IT-Fachkräfte für einige Jahre in den USA arbeiten und dann nach Indien zurückkehren. Besonders die Aktienkurse von Unternehmen wie Infosys, TCS oder Wipro verzeichneten Kursverluste.

Die Folgen dieser neuen Regeln für ausländische Fachkräfte werden an den Finanzmärkten kontrovers diskutiert. Unbestritten ist, dass es sich bei den Gebühren für H-1B-Visa ökonomisch um eine Form von Steuer handelt, die anders als bei Importzöllen nicht auf ausländische Waren oder Dienstleistungen, sondern auf ausländische Arbeitskräfte erhoben wird. Sie trifft besonders die amerikanische Tech-Branche, aber auch Unternehmen aus anderen Sektoren (siehe Abbildung 1). Auch Unternehmen aus Bereichen wie Einzelhandel, Finanzwesen, Industrie und Automobilproduktion, Biotechnologie, Medizintechnik sowie Lehr- und Forschungsorganisationen. Damit reichen die Folgen der Visagebührenerhöhung weit über die Tech-Unternehmen hinaus.

Die finanziellen Auswirkungen der neuen Gebühr lassen sich nur schwer beziffern. Im vergangenen Jahr 2024 haben die amerikanischen Behörden nach Zahlen der US Citizenship and Immigration Services 141.000 neue H1-B-Visa ausgestellt. Daraus leitet die „Financial Times“ die Hochrechnung ab, wonach US-Arbeitgeber jährlich mit Kosten von rund 14 Milliarden US-Dollar für die Einstellung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte rechnen müssten. Unklar ist, wie stark die Nachfrage nach ausländischen Fachkräften auf die Gebührenerhöhung reagiert.

Insgesamt arbeiten in amerikanischen STEM-Berufen, wobei STEM für Science (Wissenschaft), Technologie, Engineering (Ingenieurwesen) und Mathematik steht, schätzungsweise 36,8 Millionen Menschen. Laut der National Science Foundation sind rund 19 Prozent davon mit nicht-amerikanischem Pass geboren. Das wären etwa 7 Millionen ausländische STEM-Fachkräfte. Für die IT-Branche schätzt der Thinktank Joint Venture Silicon Valley diesen Anteil auf 66 Prozent, allerdings ohne eine absolute Zahl zu nennen. Gleichzeitig weist der Thinktank daraufhin, dass rund mehr als die Hälfte der amerikanischen Tech-Unternehmen von Ausländern oder Kindern von Ausländern gegründet worden seien.

Lutnick verteidigte die Gebührenerhöhung mit dem Argument, dass die Regierung auf diese Weise einen Anreiz für Tech-Unternehmen setze, Fachkräfte an amerikanischen Hochschulen auszubilden. Auch wenn dieser Effekt einsetzen sollte, wird es Jahre dauern, bis einheimische Hochschulabsolventen eventuelle Lücken schließen können.

Schon Stand heute ist der Fachkräftemangel in der amerikanischen IT-Branche eklatant. Besonders in Bereichen wie der Künstlichen Intelligenz (KI), Cybersecurity oder der Entwicklung komplexer Software decken weder eingewanderte noch amerikanische Fachkräfte den Bedarf. Von daher ist fraglich, ob die Grundannahme, die hinter Trumps neuer Regelung für H-1B-Visa steht, zutreffend ist. Ausländische Fachkräfte machen im IT-Bereich amerikanischen Stellenbewerbern offenbar keine Konkurrenz. Sie scheinen hingegen oft Fähigkeiten zu bieten, die der amerikanische Arbeitsmarkt nicht in ausreichendem Maße bereitstellt.

In der ersten Woche nach Erhöhung der Visumsgebühr haben sich die Aktienkurse amerikanischer Tech-Konzerne wie Amazon, Microsoft, Alphabet oder Meta unbeeindruckt von diesem neuen „Einfuhrzoll“ gezeigt. Dazu mag auch beigetragen haben, dass die erhöhte Gebühr nur für neue Visumsanträge gilt, aber nicht bestehende Visa betrifft. Allerdings werden die Marktteilnehmer nun verstärkt darauf achten, ob die neuen Visumsregeln zu höheren Kosten oder zu Engpässen bei diesen Unternehmen führen werden.

Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach ausländischen Fachkräften aufgrund der erhöhten Visumsgebühr zurückgehen wird. Dies könnte in betroffenen Unternehmen zu Einschränkungen führen. Möglicherweise werden auch einzelne Aktivitäten ins Ausland verlagert. Wir bezweifeln allerdings sehr, dass die Visumspolitik für den Untergang von Silicon Valley oder – allgemeiner – des Tech-Standorts USA verantwortlich sein wird. Dazu ist das gesamte Ökosystem von den Universitäten bis zur Forschung, Finanzierung und unternehmerischen Umsetzung zu eng ineinander verwoben. Wirtschaftspolitisch mag die Neuregelung fragwürdig sein. Aber eine 14 Milliarden Dollar-Gebührenanhebung wird die Lebenskraft und Kreativität der Tech-Branche gewiss nicht in Gefahr bringen.

Stephan Rieke und Christian von Hiller

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