Stephan Rieke, Chief Economist Trust – Investment Office Private Wealth Management ODDO BHF

Investitionen in Künstliche Intelligenz: Einige Anmerkungen

Die großen amerikanischen Technologie-Unternehmen verdienen viel Geld, und sie geben viel Geld aus. Anlagen mit Namen wie Metas „Prometheus“ und „Hyperion“, Elon Musks xAI „Colossus“ oder Open AIs „Stargate“ klingen nicht nur gigantisch, sie verschlingen auch gigantisch viel Geld. Allein diese KI-Projekte werden, jedes für sich, mit Kosten jenseits von 100 Milliarden Dollar veranschlagt.

Die vier großen „Hyperscaler“ Microsoft (Azure), Amazon (AWS), Alphabet (Google Web Services), und Meta dürften allein im Jahr 2025 rund 350 Milliarden Dollar an Investitionsausgaben vornehmen.1) Das Geld fließt vor allem in leistungsfähigere Datencenter, die den Hunger der Künstlichen Intelligenz nach Rechenleistung stillen sollen. Nimmt man Oracle hinzu (das Unternehmen hat seine Investitionen erheblich aufgestockt), nähert sich die Zahl den 400 Milliarden Dollar an. In den Folgejahren dürften die Ausgaben weiter steigen. Bis 2029 könnten die Ausgaben der großen Vier die 500 Milliarden Dollar-Schwelle überschreiten. Die weltweiten AI-bezogenen Investitionsausgaben in ihrer Gesamtheit schätzt S&P Global im laufenden Jahr auf rund 430 Milliarden Dollar.2) Den Prognosen von S&P Global zufolge werden diese Ausgaben 2026 auf 571 Milliarden Dollar und in den folgenden drei Jahren bis 2029 1,2 Billionen Dollar erreichen. Insgesamt würden in den Jahren 2024 bis 2029 weit mehr als 4 Billionen Dollar in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und die Bereitstellung der Infrastruktur fließen.

So gigantisch die Beträge für die großen Tech-Unternehmen auf den ersten Blick aussehen: Die großen Hyperscaler können die Kapitalausgaben zwar nicht aus der Portokasse bezahlen. Der Cash Flow der operativen Geschäfte reicht bisher aber bequem aus, diese Investitionen zu decken. Bei Microsoft beispielsweise verblieb im Geschäftsjahr 2025 trotz Kapitalausgaben in Höhe von 65 Milliarden Dollar ein freier Cash Flow von 72 Milliarden Dollar. Ähnlich komfortabel – vielleicht mit leichten Abstrichen bei Amazon – stellt sich die Situation auch für die anderen drei Unternehmen dar.3) Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass viele Projekte noch im Aufbau sind. Das hat zur Folge, dass vorerst keine Abschreibungen auf die neuen Anlagen vorgenommen werden müssen, die die Margen belasten könnten.

Die ausgewiesenen Investitionsausgaben („capital expenditure“) der großen Tech-Unternehmen erfassen die tatsächlichen Aufwendungen nur eingeschränkt. Man kann Datencenter bauen, man kann sie aber auch bauen lassen und sich die Nutzungsrechte über Finanzleasing sichern, oder man kann Rechenkapazitäten kaufen. Oder man beteiligt sich an Unternehmen, die die Center bauen oder Modelle trainieren. Nachdem die Investitionen bisher weitgehend aus dem Cash Flow finanziert wurden, finden nun zunehmend auch externe Finanzierungsformen Anwendung. Unternehmen aus dem Private Equity- bzw. Private Credit Sektor sind angesichts des starken Interesses der Anleger an KI-Themen heiß daran interessiert, sich mit Beteiligungen oder Krediten beim Aufbau von KI-Infrastruktur einzubringen. Auch die Anleihemärkte werden vermehrt durch ABS (Asset Backed Securities) oder CMBS (Commercial Mortgage Backed Securities) zur Finanzierung herangezogen.

Das KI- Ökosystem von Unternehmen ist zunehmend eng verwoben. Schauen wir beispielhaft auf das Umfeld von OpenAI (ChatGPT), Nvidia und Microsoft.4) Nvidia untermauert seine Lieferbeziehungen zunehmend mit Kapitalbeteiligungen oder Venture Capital-Engagements. Dabei sticht das angekündigte 100 Milliarden Dollar-Investment bei OpenAI hervor; im Gegenzug wird OpenAI bei der Entwicklung der neuesten Infrastruktur Nvidia-Systeme im Umfang von 10 Gigawatt (GW) einsetzen. Zudem wird Nvidia Chips im geschätzten Wert von 40 Milliarden Dollar an Oracle liefern.

OpenAI seinerseits hat mit Oracle die Bereitstellung von Rechenkapazität im Wert von 300 Milliarden Dollar vereinbart. Oracle hat längerfristige Leasingverträge für zusätzliche Rechenkapazität mit verschiedenen Datencentern abgeschlossen. OpenAI kauft weitere Rechenkapazitäten von CoreWeave und soll dort eine kleine Beteiligung erhalten. Zudem hat OpenAI eine strategische Vereinbarung mit dem Chiphersteller AMD geschlossen. OpenAI will AMD-GPUs (Graphic Processing Units, Grafikchips) einsetzen und sich schrittweise an AMD beteiligen.

Microsoft wiederum ist seit langem bei OpenAI als Investor „im Boot“. Nach der jüngsten Klärung der Verhältnisse besitzt Microsoft eine Beteiligung von 27 Prozent an OAI, deren Wert auf rund 135 Milliarden Dollar beziffert wird (OAI ist nicht börsennotiert). Die Vereinbarung gewährt Microsoft, zeitlich begrenzt, eine Beteiligung am Umsatz und Zugang zur OAI-Technologie – einschließlich künftiger Fortentwicklungen bis hin zur sogenannten Artificial General Intelligence (AGI). Zudem nutzt OpenAI erhebliche Rechenkapazitäten bei Microsofts Azure. Microsoft seinerseits ist ein großer Kunde von Nvidia und hat eine Kooperation mit AMD geschlossen, die unter anderem die Entwicklung spezifischer Chips für Microsofts Spiele-Hardware und den Einsatz von AMD-Prozessoren bei Microsofts Azure umfasst.

Die Liste der Verbindungen zwischen den Tech-Unternehmen ließe sich noch um einiges verlängern. Für Anleger ist aus unserer Sicht wesentlich, dass die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Unternehmen sehr umfangreich und vielseitig geworden sind. Microsoft, Oracle, Amazon, Google und Coreweave kommen auf langfristig fest vereinbarte Leistungsverpflichtungen (Remaining Performance Obligations, RPO) im Umfang von rund 1,3 Billionen Dollar (siehe Abbildung 2).5) Bei Oracle entfallen allein 300 Milliarden Dollar, mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens, auf die langfristige Vereinbarung mit OpenAI. Auch Microsoft hat mehrfach auf bedeutende Buchungen von OpenAI hingewiesen.

Das gesamte Konstrukt aus Bereitstellung von Prozessoren, Entwicklung von KI-Modellen und Bereitstellung von Rechenleistung für die Modellentwicklung und -anwendung stützt sich auf die Erwartung, dass die künftige Nutzung der KI-Modelle durch Unternehmen und Haushalte für die Beteiligten Einnahmen generieren wird, die die hohen Investitionen rechtfertigen. Die aktuellen Einnahmen aus der KI-Sparte sind noch weit davon entfernt. Die Erwartung ist aber nach unserem Dafürhalten nicht unrealistisch – hier werden keine Luftschlösser gebaut. Microsoft beispielsweise bekräftigte bei Vorstellung der Quartalsergebnisse für das dritte Quartal, dass die Nachfrage nach Rechenleistung das Angebot bei weitem übersteige. Für uns bedeutet das, dass der gute Lauf des Technologiesektors an den Aktienmärkten noch weitergehen kann. Aber die Unsicherheiten sind über den recht langen Zeithorizont beträchtlich, und die Börsengewinner zu prognostizieren hat sich schon in früheren Technologiezyklen als schwierig herausgestellt. Zudem sind die Bewertungen anspruchsvoll, was wenig Raum für Enttäuschungen lässt. Das verlangt Maßhalten und eine sorgfältige Überwachung der Risiken.

Stephan Rieke

1) Als „Hyperscaler“ werden großen Betreiber von Datencentern bezeichnet, die entsprechende Cloud-Dienstleistungen flexibel und auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst („skalierbar“) anbieten. Für die ersten drei Quartale weisen die vier genannten Unternehmen Kapitalausgaben in Höhe von 257 Milliarden Dollar aus. Ein im Vergleich zu Q3 unverändertes Niveau der Ausgaben für Q4 unterstellt, würden die berichteten Investitionsausgaben in diesem Jahr 355 Milliarden Dollar erreichen.

2) S&P Global, Industry Credit Outlook: Despite The Risks, Tech, Power, And Data Center Companies Are Going All-In On Their AI Gamble, 1. Oktober 2025

3) Nachbörslich am Donnerstagabend haben Microsoft, Alphabet und Meta ihre Quartalsergebnisse veröffentlicht. Aktualisierungen konnten nicht mehr berücksichtigt werden.

4) Morgan Stanley, Global Valuation, Accounting & Tax, AI: Mapping Circularity, 8. Oktober 2025 sowie Bloomberg, OpenAI gives Microsoft 27% Stake, Completes For-Profit Shift, 28. Oktober 2025

5) Quelle: Bloomberg, ergänzt durch Daten aus aktuellen Meldungen; teilweise Schätzung; Leistungsvereinbarungen dürfen nur dann als RPO ausgewiesen werden, wenn die Vereinbarungen nicht kündbar (keine Optionen) und juristisch durchsetzbar sind.

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