Christian von Hiller, Investment Office Private Wealth Management ODDO BHF
Haushalt 2026 rückt in Frankreich weiter in die Ferne
Durch die Verschärfung der politischen Krise in Frankreich gerät nun auch der Staatshaushalt 2026 in Gefahr. Nur 27 Tage nach seiner Ernennung zum Premierminister trat Sébastien Lecornu am Montag, 6. Oktober zurück, nachdem ihm zuvor ein wichtiger Bündnispartner abgesprungen war. Es war bereits der dritte Premierminister in diesem Jahr. Gleichgültig, wie sich die verworrene Lage weiter entwickeln wird, ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Frankreich nicht mehr rechtzeitig einen Staatshaushalt für 2026 verabschieden wird. Die Folgen werden in Frankreich weniger dramatisch als in den USA sein, wo Verzögerungen im Haushaltsprozess regelmäßig einen „Government Shutdown“ auslösen. Dieser zwingt viele US-Bundesbehörden, ihre Tätigkeit bis auf Ausnahme einiger „unerlässlicher Aufgaben“ einzustellen und Tausende Beamte in den unbezahlten Urlaub zu schicken.
Am Mittwoch, 8. Oktober hätte Lecornu den Haushaltsentwurf 2026 in das Kabinett einbringen sollen. Dieser Termin ist ausgefallen, da es zurzeit kein handlungsfähiges Kabinett gibt. Bis zum 13. Oktober jedoch müsste der Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht werden, um den Abgeordneten für ihre Beratungen mindestens 70 Tage Zeit zu geben, wie sie ihnen die Verfassung einräumt. Verzögert sich der Haushaltsprozess, kann das Haushaltsgesetz kaum noch rechtzeitig vor dem 31. Dezember veröffentlicht werden. In diesem Fall tritt eine Notregelung in Kraft, die sogenannte Zwölf-Zwölftel-Regel: Dann orientiert sich die öffentliche Verwaltung am Haushalt 2025 und erlaubt den Behörden, Monat für Monat ein Zwölftel ihrer für das Jahr 2025 genehmigten Mittel auszugeben. Doch auch diese Regel erfordert jeden Monat ein Votum der Assemblée Nationale.
Dieses Verfahren wäre aufwändig und würde den Staat weitgehend lähmen, wenn auch nicht so drastisch wie in den USA. Dann wären viele Vorhaben zur Haushaltssanierung, die Lecornus Vorgänger François Bayrou auf den Weg gebracht hatte, blockiert. Beschlossene Steuererhöhungen und -anpassungen könnten nicht in Kraft treten, genauso wenig wie der geplante Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Sämtliche Beschlüsse, die zu einer Erhöhung von Ausgaben führen, wären blockiert. Hilfen und Subventionen, die noch nicht vertraglich festgelegt sind, dürften nicht ausgezahlt werden. Auch neue Investitionsvorhaben würden auf Eis gelegt.
Vor allem hätte ein solcher Haushaltsnotstand Folgen für die Kreditwürdigkeit Frankreichs – bei der EU einerseits, die über die Einhaltung der Haushaltsregeln für die Eurozone wacht, und bei den Ratingagenturen andererseits, die die Bonität französischer Staatsanleihen bewerten. Ohne einen gültigen Haushalt 2026 dürfte es schwerfallen, vom kommenden Jahr an die öffentlichen Finanzen wie noch von Bayrou in Aussicht gestellt, zu sanieren. Aktuell liegt das Haushaltsdefizit bei 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und die Schuldenquote bei 113,2 Prozent des BIP. Beide Kennziffern liegen somit weit über der Obergrenze für die Länder der Eurozone von 3 Prozent und 60 Prozent. Ausgabenkürzungen von insgesamt 105 Milliarden Euro sind laut Bayrou notwendig, um die Defizitquote bis zum Jahr 2029 in den euro-konformen Bereich zurückzuführen.
Hinzu kommt der Druck der Ratingagenturen, die angesichts der politischen Krise in Frankreich, die Bonität französischer Staatsanleihen weiter herunterstufen könnten. In zwei Wochen, am Freitag, 24. Oktober, wird Moody’s das Ergebnis seiner Bonitätsprüfung bekanntgeben.
Am 28. November folgt Standard & Poor’s. Fitch hatte bereits am 12. September seine Ratingnote auf A+ gesenkt und damit schon fünf Schritte unter die Bestnote AAA gesetzt. Unangenehm für Frankreich wird nun auch die Tatsache, dass laut dem französischen Finanzministerium 54,7 Prozent der börsengehandelten Schuldtitel in ausländischer Hand liegen und damit bei Anlegern, die besonders sensibel auf eine Verschlechterung der öffentlichen Finanzen und der Ratingnote reagieren könnten.
Gemessen daran ist die Lage an den Anleihemärkten bisher bemerkenswert ruhig. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen (OAT) ist von 3,0 Prozent vor einem Jahr auf aktuell 3,6 Prozent gestiegen. Allerdings muss auch die Bundesregierung mehr für zehnjährige Bundesanleihen zahlen, wenn auch insgesamt weniger. Die Rendite von Bundesanleihen ist in den vergangenen zwölf Monaten von 2,2 Prozent auf 2,7 Prozent hochgegangen. Unter dem Strich hat sich der Renditeaufschlag zehnjähriger OAT im Vergleich zu zehnjährigen Bundesanleihen auf nun 85,5 Basispunkte ausgeweitet. Damit ist der Renditeabstand trotz der politischen Krise in Frankreich erstaunlich stabil geblieben, lag er doch schon zu Jahresbeginn bei etwa 80 Basispunkten. Das muss jedoch nicht so bleiben, sollten auch Moody’s und S&P die Bonitätsbewertung Frankreichs zurücknehmen und sollte ein Staatshaushalt für 2026 nicht fristgerecht in Kraft treten.
Die Sanierung der öffentlichen Finanzen ist ein schwieriges Unterfangen, wie Berechnungen des französischen Statistikamts Insee zeigen. Im Haushalt machen die Sozialversicherungen 41,0 Prozent der öffentlichen Ausgaben aus. Hinzu kommt das Gesundheitswesen mit 15,6 Prozent der öffentlichen Ausgaben. Erfahrungsgemäß erfordert es einen breiten Konsens, um eine Kürzung von Sozialausgaben politisch durchzusetzen. Doch die politischen Ereignisse der vergangenen zwei, drei Jahre haben gezeigt, dass dieser derzeit in Frankreich nicht existiert.
Statt weiteren Kürzungen bei den staatlichen Ausgaben werden Steuererhöhungen für Vermögende diskutiert, besonders in Form einer Steuer, die der Ökonom Gabriel Zucman vorgeschlagen hat. Dieser will private Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro mit einer Steuer von 2 Prozent belegen. Davon wären die etwa 1800 reichsten Franzosen betroffen. Die Steuermehreinnahmen schätzt Zucman auf 15 bis 25 Milliarden Euro jährlich. Sollte die Steuer schon für 2026 greifen (was faktisch ausgeschlossen ist), wären die 105 Milliarden Euro, die erforderlich sind, um das Defizit unter 3 Prozent zu senken, zum großen Teil zusammen. Doch dabei handelt es sich um eine statische Betrachtung, die nur unter der Annahme gilt, dass alle anderen Parameter unverändert bleiben. Eine Gruppe von sieben Wirtschaftswissenschaftlern, darunter Philippe Aghion und Emmanuelle Taugourdeau, haben dagegen ermittelt, dass die Zucman-Steuer höchstens Mehreinnahmen von 5 Milliarden Euro jährlich bringen könnte, wenn die Möglichkeit einer dauerhaften Abwanderung von Kapital und von vermögenden Steuerzahlern berücksichtigt wird.
Anstelle einer stärkeren Besteuerung vermögender Familien hatte Lecornu eine höhere Belastung von Holdinggesellschaften ins Spiel gebracht. Aufgrund des sogenannten „Mutter-Tochter-Regimes“ sind Dividenden, die von Tochtergesellschaften an ihre Holdinggesellschaft fließen, zu 95 Prozent von der Körperschaftssteuer befreit. Damit entgehen diese Einkünfte weitgehend dem einmaligen Pauschalabzug von 30 Prozent, der für Kapitaleinkünfte aus Aktien erhoben wird. Damit wollte Lecornu Industrievermögen schonen und eine höhere Besteuerung auf Finanzvermögen beschränken. Diese Holdingsteuer würde rund 30.000 Holdinggesellschaften betreffen und Mehreinnahmen von 1 bis 1,5 Milliarde Euro jährlich bringen.
Derzeit leiden französische Staatspapiere unter der gestiegenen politischen Unsicherheit und steigender Verschuldung. Es wäre mindestens eine Stabilisierung auf politischer Ebene nötig, um das Anlegervertrauen wieder zu stärken. Die politische Krise im Land beeinträchtigt derzeit jedoch nur wenig jene französische Unternehmen, die zum Teil mit großem Erfolg international tätig sind. Deshalb halten wir neben ausgewählten Aktien Unternehmensanleihen für die tendenziell bessere Wahl im Vergleich zu französischen Staatsanleihen.
Christian von Hiller
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