Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer ODDO BHF SE 

Handelsvereinbarung zwischen der EU und den USA: ungeliebt

Es fällt schwer, Gewinner im Handelsabkommen auszumachen, das die Europäische Union und die USA geschlossen haben. Sicher, der amerikanische Präsident Donald Trump sieht sich als Sieger. Doch wer außer ihm von diesem „Deal“ profitiert, lässt sich schwer sagen. Darüber, worauf man sich am vergangenen Sonntag geeinigt hat, ist man sich schon jetzt nicht mehr ganz einig.

Der Plan sieht offenbar vor, dass Warenimporte aus EU-Ländern in die USA mit einem Zollsatz von 15 Prozent belastet werden. Der 15 Prozent-Satz würde auch für Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile gelten, die zuletzt einem Sonderzoll von 27,5 Prozent unterworfen waren. Der Satz soll auch Obergrenze für Einfuhrzölle auf pharmazeutische Produkte sein, wenn solche eingeführt würden. Und er soll auch für Halbleiter gelten – von denen die Europäer aber nicht wirklich viele exportieren. Der Zollsatz von 50 Prozent auf Stahl- und Aluminiumexporte bleibt vorerst, könnte aber durch ein Quotensystem verbunden mit niedrigeren Zöllen ersetzt werden. Schätzungen zufolge dürften die US-Einfuhrzölle rund 70 Prozent der EU-Warenexporte in die USA betreffen. Die EU senkt die Einfuhrzölle auf US-Waren (bisher durchschnittlich 4,8 Prozent) auf null. Darüber hinaus soll die Europäische Union Importe von Energie aus den USA im Wert von 750 Milliarden Dollar, Rüstungsgüterimporte sowie Investitionen in den USA im Umfang von 600 Milliarden Dollar zugesagt haben. Wie diese Steuerung von Käufen und Investitionen praktisch funktionieren soll, ist unklar.

Ist das eine gute Vereinbarung? Unserer Meinung nach sicherlich nicht. Es gibt einen Sieger im politischen Schaulaufen. Das ist Donald Trump, der für einen „Deal“ offenbar bereitwillig Freundschaften opfert. Die Vereinbarungen mit Großbritannien, Japan und nun der Europäischen Union bringen ihn seinem erklärten Ziel näher, einen Wall von Einfuhrzöllen um die USA herum zu errichten und gleichzeitig den Marktzugang amerikanischer Unternehmen im Ausland zu vereinfachen. Ansonsten gibt es vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht Verlierer.

Das sind zunächst die europäischen Unternehmen, die auf dem US-Markt im Vergleich mit heimischen Anbietern an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Wenn die Dollarschwäche fortbesteht, würde das den Nachteil zusätzlich verstärken. Die vereinbarten Einfuhrzölle werden das Wachstum in der EU aller Voraussicht nach um einige Zehntel drücken. Umgekehrt verbessert sich die Ausgangsposition für US-Produzenten auf dem europäischen Markt.

Aber es ist nicht alles schwarz oder weiß. Viele US-Unternehmen beziehen Produkte aus dem Ausland oder haben Produktionsstätten dort. Diese Güter verteuern sich nun ebenfalls. Besonders komplex stellt sich die Situation in der Automobilindustrie dar, denn die Lieferketten der amerikanischen Produzenten verlaufen über die Grenzen von USA, Kanada und Mexiko hin und her, und es gibt große Produktionsstätten außerhalb der USA. Einerseits wird nur etwa die Hälfte der in den USA verkauften Fahrzeuge dort zusammengebaut. Andererseits wird fast die Hälfte der in den USA hergestellten Fahrzeuge von nicht-amerikanischen Unternehmen produziert, davon rund 8 Prozent von Europäern.1) Europäische Hersteller wie BMW und Mercedes wiederum zählen zu den wichtigsten Autoexporteuren der USA.

Verlierer sind auch die amerikanischen Verbraucher, die die mit hohen Einfuhrzöllen belastete Waren kaufen. In vielen Fällen wird die amerikanische Wirtschaft nicht in der Lage sein, die importierten Produkte kurzfristig durch heimische zu ersetzen – und wenn, dann wohl meist zu höheren Kosten. Wahrscheinlicher ist, dass viele Konsumgüter und Güter mit hohen Importanteilen weiterhin in die USA eingeführt werden, nur eben zu höheren Preisen. Groß ist auch die Versuchung für US-Hersteller, im Windschatten der Zölle höhere Preise bei den Verbrauchern zu fordern. Wir rechnen deshalb mit einer Beschleunigung des Preisanstiegs in den USA.

Im Juni lag die amerikanische Inflationsrate bei 2,7 Prozent. Das ist nicht übermäßig hoch, aber für die Fed Grund genug, das Band für den Notenbanksatz nochmals unverändert bei 4,25-4,50 Prozent zu lassen. Allerdings gab es dieses Mal zwei Gegenstimmen gegen diese Entscheidung: Christopher Wallen, der schon als Trumps Kandidat für die Nachfolge Powells gehandelt wird, und Michelle Bowman, die Trump 2018 in seiner ersten Amtszeit nominierte. Als die Fed im September 2024 den Leitzins senkte, stimmte Bowman im Übrigen als einzige gegen diese Entscheidung.

Die vorläufige Ruhe an der Preisfront sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Preisdruck aufbaut. Es gibt Hinweise, dass bisher vor allem die amerikanischen Importeure die Mehrbelastung absorbiert haben.2) Die US-Importpreise beispielsweise (die ohne Zölle erfasst werden) sind über die letzten Monate keinesfalls gesunken. Dies spricht dagegen, dass die ausländische Exporteure Preisabschläge akzeptiert haben. Es ist unwahrscheinlich, dass die US-Importeure die Kosten auf Dauer absorbieren werden bzw. können.

Es wundert uns nicht, dass die Vereinbarung von Schottland unter den Europäern auf wenig Liebe stößt – und sogar auf heftige Kritik. Der französische Premierminister François Bayrou sprach von einem „schwarzen Tag“ für die Europäer. Es kann deshalb nicht als selbstverständlich angesehen werden, dass das Abkommen den Europäischen Rat und das Europäische Parlament problemlos passieren wird – zumal ein formelles Abkommen (noch) gar nicht existiert und erhebliche Auslegungsunterschiede über das Vereinbarte zwischen den beteiligten Seiten zu sehen sind. Die Kommission hat zwar das Verhandlungsmandat, letztlich entscheiden jedoch der Europäische Rat und das Europäische Parlament über Handelsverträge.

Die deutlichste Marktreaktion auf den „Deal“ kam von den Devisenmärkten. Der Dollar stieg im bisherigen Wochenverlauf um rund 3 Cent und liegt nun etwas unter 1,15 US-Dollar pro Euro. Dabei dürfte die Standhaftigkeit der Fed am Mittwoch die Bewegung verstärkt haben. Die Börsen dagegen haben auf die Bekanntgabe der Vereinbarung unaufgeregt reagiert. Einer leichten Abschwächung der europäischen Märkte am Montag folgte am Dienstag die Erholung. Allerdings kam die Meldung über den Deal nicht überraschend: Es hatte vorab Hinweise auf eine Annäherung gegeben. Zudem war schon eine Woche zuvor eine Vereinbarung zwischen den USA und Japan geschlossen worden, die vielfach als Blaupause für einen „Deal“ mit der EU verstanden wurde. Insgesamt scheinen es die Anleger zu begrüßen, dass die Handelspolitik ruhigere Fahrwasser erreicht. Im Vergleich mit Ende Juni 2025 haben die europäischen Märkte die Gewinne des ersten Halbjahres ausgebaut – der breite STOXX Europe 600 und auch der Euro STOXX (der nur die Unternehmen aus dem Euroraum abdeckt) verbesserten sich, Dividenden eingeschlossen, um rund 1¾ Prozent. Das ist schwächer als der US-Aktienmarkt, aber angesichts der nicht ganz makellosen Quartalsberichterstattung in Europa als solides Ergebnis zu werten.

Jan Viebig

1) VOX EU/CEPR (2025), What’s up with Trump auto tariffs?, 23. Juli 2025 sowie ACEA Factsheet, EU-US vehicle trade, März 2025

2) Reuters (2025, How companies are responding to Trump’s tariffs, 21. Juli 2025; MarketWatch (2025), Here’s who is bearing the cost of Trump’s tariffs so far this year, 22. Juli 2025

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