Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer ODDO BHF SE
Der Arbeitsmarkt – Achillesferse der US-Wirtschaft
Die amerikanischen Aktienmärkte erscheinen nach außen hin wieder gut gelaunt. Doch so makellos ist die Lage nicht. Es gibt in der US-Wirtschaft sehr dynamische Branchen und Regionen, aber auch schwache. In englischsprachigen Kommentaren las man immer häufiger die Redewendung: „Markets are climbing a wall of worry.“ Damit ist gemeint, dass die Märkte trotz zahlreicher Gründe zur Sorge steigen.
Einer dieser Gründe findet sich am Arbeitsmarkt. Dort sind Schwächezeichen erkennbar, die eine Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage andeuten könnten. Welch sensible Rolle der Arbeitsmarkt derzeit spielt, dürfte auch Präsident Donald Trump bewusst sein. Er hatte jüngst nach dem schwachen Arbeitsmarktbericht für Juli umgehend die Leiterin des Bureau of Labor Statistics (BLS), Erika McEntarfer, gefeuert. Er fürchtete einen Komplott gegen ihn, als die Behörde die Zahl der neuen Stellen für Mai und Juni um etwa 258.000 nach unten revidiert hatte, obwohl der Senat diese Revision schon bestätigt hatte.
Im Juli 2025 ist die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vormonat leicht von 4,1 Prozent auf 4,2 Prozent gestiegen, was wenig auffällig ist. Beunruhigend ist allerdings die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit, denn Berufseinsteiger und junge Leute sind typischerweise als erste betroffen, wenn Unternehmen restriktiver werden (siehe Abbildung). Im Juli 2025 lag sie für die Altersklasse 16 bis 24 Jahre bei 10 Prozent. Selbst Absolventen mit einem Bachelor, einem Master oder einem PhD in der Tasche finden schwerer einen Job. Die amerikanischen Unternehmen haben im vergangenen Monat 73.000 Stellen geschaffen. Das lag weiter unter der Erwartung von 143.000. Das Politikum war jedoch, dass die Statistikbehörde die Zahl der neuen Stellen der beiden Vormonate in Summe um besagte 258.000 gesenkt hatte, um 125.000 im Mai und um 133.000 im Juni. Im Mittel der drei Monate von Mai bis Juli kommen die USA damit auf einen monatlichen Stellenzuwachs von nur noch 35.000. Wenn die Entwicklung so flach bliebe, läge der Zuwachs unter dem Wert, der zur Stabilisierung der Arbeitslosenquote notwendig wäre. 70.000 bis 90.000 zusätzliche Stellen müssten dafür durchschnittlich pro Monat erreicht werden, schätzen Ökonomen der Federal Reserve Bank of San Francisco.

Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett antwortete auf die Frage eines TV-Journalisten von NBC News, welche Beweise die US-Regierung für ein Komplott habe: „Nun, der Beweis ist, dass es eine Reihe von Revisionen gab.“ Doch solche Abweichungen sind, auch in ihrer Höhe, nicht ungewöhnlich und ergeben sich aus der Erhebungsmethode: Das BLS stützt seine Zahlen auf zwei Umfragen. Zum einen befragt es rund 60.000 Privathaushalte. Dieser Household-Survey ist die Basis für die Schätzung des Arbeitskräftepotenzials und der Zahl der Arbeitslosen. Zum anderen erhebt sie die Zahlen von etwa 121.000 öffentlichen und privaten Arbeitgebern (Current Employment Survey, CES). Die Zahl der Stellenschaffungen stützt sich in der Regel auf die Arbeitgeberangaben. Doch diese Daten zeichnen nur ein erstes grobes Bild, das durch Nachmeldungen und weitere Erhebungen in den beiden Folgemonaten an Präzision gewinnt, vor allem wenn dann auch Daten der Arbeitsagenturen einfließen. Zusätzliche Revisionen erfolgen einmal jährlich, wenn die Zu- und Abgänge an Unternehmen berücksichtigt werden.
Es dürfte somit keine Verschwörung von Trump-Feinden in Amerikas Behörden sein, wenn die Daten eine Abschwächung am Arbeitsmarkt zeigen. Vielmehr ist die nachlassende Dynamik Folge einer allgemeinen Konjunkturabschwächung und von Trumps Wirtschaftspolitik. Bereits vor Trumps Amtsantritt im Januar 2025 zeichnete sich eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums ab. Dies allein musste noch niemanden über Maßen beunruhigen. Doch Trumps Politik belastet die US-Wirtschaft in zwei Punkten: Erstens erhöht die harte Zollpolitik tendenziell die Preise in den USA und schafft dort Lieferengpässe, wo amerikanische Unternehmen keinen gleichwertigen Ersatz für Importgüter schaffen. Zweitens entzieht Trumps harter Kurs gegen Immigranten der amerikanischen Wirtschaft Arbeitskräfte, die sie benötigt. In Hotels, Restaurants und der Landwirtschaft sind die Engpässe besonders groß. Im Juni hat Trump reagiert und Razzien und Festnahmen illegaler Arbeiter vorerst ausgesetzt. Doch auch die legale Einwanderung schränkte er ein. So hat er die Regeln für die Vergabe der begehrten „Green Cards“, dauerhafter Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, verschärft.
Hinzu kommt eine Verschlechterung der Stimmungsindikatoren. In der US-Industrie etwa ging der ISM-Indikator im Juni auf 48,0 Punkte zurück und damit auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2024. Auch der private Konsum hat an Schwung verloren. Die persönlichen Konsumausgaben haben sich im Verlauf des ersten Halbjahrs inflationsbereinigt verlangsamt, das Konsumentenvertrauen ist gedämpft. Zudem lahmt der Häusermarkt.
Aufgrund dieser Warnsignale sollten Anleger verstärkt den amerikanischen Arbeitsmarkt im Blick behalten, vor allem weil dieser Einfluss auf die Geldpolitik der Fed gewinnen könnte. Die amerikanische Ökonomin Claudia Sahm hatte die berühmte Sahm-Regel aufgestellt, die einen engen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsmarkt und der Wahrscheinlichkeit einer Rezession herstellt: Eine Rezession ist demnach wahrscheinlich, wenn der dreimonatige gleitende Durchschnitt der Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkte oder mehr über ihrem Zwölf-Monats-Tief liegt. Diesen Punkt hat der amerikanische Arbeitsmarkt allerdings noch nicht erreicht.
Bisher hat die Fed Trumps Forderung nach scharfen Leitzinssenkungen widerstanden. Trotz des Drucks aus dem Weißen Haus hat die Zentralbank auf ihrer Juli-Sitzung den Leitzins im Bereich von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen, in dem er seit September 2024 liegt. Begründet hatte die Fed dies mit dem Verweis auf eine Inflationsrate von zuletzt 2,9 Prozent, berechnet nach dem Verbraucherpreisindex CPI, und vor allem mit den Inflationsrisiken, die durch Trumps Zollpolitik auf der US-Wirtschaft lasten. Doch angesichts zunehmender Spannungen am Arbeitsmarkt und einer nachlassenden Konjunktur nimmt die wirtschaftliche Berechtigung einer Zinssenkung zu. Entsprechend haben die Marktteilnehmer in den USA zwei bis drei Zinssenkungen bis Ende dieses Jahres eingepreist, die erste für September. Viele Beobachter erwarten, dass Fed-Gouverneur Jerome Powell die alljährliche Konferenz der Notenbanker in Jackson Hole, die am Freitag beginnt, nutzen wird, um eine vorsichtige Lockerung der Geldpolitik in Aussicht zu stellen.
Für Aktienanleger hat sich in den vergangenen Wochen eine ungemütliche Gemengelage entwickelt, die uns dazu veranlasst hat, Aktien in den Portfolios, die wir verwalten, unterzugewichten und bei unseren Aktienengagements in den USA selektiver zu werden. Dazu haben wir uns schweren Herzens entschlossen, da die US-Börsen eine große Zahl an hervorragend geführten Unternehmen mit überzeugenden Geschäftsmodellen bieten.
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