Stephan Rieke und Christian von Hiller, Investment Office Private Wealth Management ODDO BHF
Chancen und Risiken am Aktienmarkt
Wir sind im Sommer zu einer leichten Untergewichtung von Aktien übergegangen und haben entsprechend die Aktienquote in den von uns verwalteten Portfolien ein wenig zurückgefahren. Die Entscheidung, etwas Risiko aus den Portfolien zu nehmen, basiert auf der Abwägung einerseits der Risiken, die sich vor allem aus der Bewertungssituation an den Aktienmärkten ergeben, andererseits der Chancen, die sich angesichts des Wachstumspotenzials gerade im Technologiesektor, der hohen Liquidität der Märkte und der expansiven Impulse durch die Geldpolitik ergeben könnten.
Kaum jemand dürfte bezweifeln, dass die Bewertung von Aktien anspruchsvoll ist. Das gilt für die europäischen, aber in besonderem Maße für die amerikanischen Märkte. Schaut man auf den breiten europäischen Index STOXX Europe 600, liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV, auf Basis der erwarteten Gewinne der nächsten 12 Monate) laut Factset bei knapp 15. Das ist weit überdurchschnittlich: In den vergangenen 20 Jahren war das KGV hierzulande nur in einem Viertel der Fälle höher. In den USA ist die Situation noch extremer: Käufer zahlen bei der Anschaffung einer Aktie des S&P 500 im Durchschnitt fast das 23-fache des erwarteten Jahresgewinns (pro Aktie). Zwar ist das S&P 500-KGV im langfristigen Durchschnitt deutlich höher als das europäische. Dennoch: Nur in einem 1(!) Prozent der Fälle über die letzten 20 Jahre war das KGV dort höher als es aktuell ist. Und die Gewinnrendite (das Verhältnis von Gewinnen pro Aktie zum Kurs) von 4,4 Prozent ließe sich im Zweifel auch mit langlaufenden, 15-jährigen US-Staatsanleihen verdienen.
Ähnliche Bewertungsextreme diagnostizieren derzeit auch andere Indikatoren wie das Shiller-KGV, das den Kurs ins Verhältnis zum durchschnittlichen inflationsbereinigten Gewinn (pro Aktie) setzt. Oder der sogenannte Buffet-Indikator, der die Marktkapitalisierung aller US-Aktien ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt setzt: In allen Varianten liegen die Quoten auf oder nahe den langfristigen historischen Spitzenwerten.
Das bedeutet: Wer jetzt investiert, kauft teuer ein. Ein Blick auf die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte zeigt sehr schnell, dass Aktieninvestments, die bei derartig hohen Bewertungen getätigt worden wären, auch über einen längeren Anlagehorizont hinweg meist nur magere Renditen abgeworfen hätten. Beispielhaft lassen sich hier die Phasen bis Januar 1973 („Nifty Fifty“), aber auch bis September 2000 (Internet-Boom, „Dotcom“) nennen. Vor allem die Vergleiche mit dem Dotcom-Boom sind häufiger geworden.
Wer allerdings jetzt das Handtuch wirft und aus dem Aktienmarkt aussteigt, riskiert eine möglicherweise lange Phase an der Seitenlinie. Es ist eine Sache, eine hohe oder überhöhte Bewertung zu diagnostizieren, eine andere, den Zeitpunkt für das Ende der Aufwärtsbewegung auszumachen. Das Shiller KGV beispielsweise hatte Mitte der 90er Jahre einen neuen historischen Höchststand (zugegebenermaßen deutlich niedriger als heute) erreicht, Ende 1996 warnte der damalige Notenbankpräsident Alan Greenspan bereits vor „irrationalem Überschwang“ („irrational exuberance“) an den Aktienmärkten. Doch davon unbeeindruckt setzte sich die Aufwärtsbewegung mehr als drei Jahre lang fort.
Dabei gibt es einige gute Argumente, die gegen ein schnelles Ende der Kursrally sprechen. Da sind zum einen die hohen Wachstumserwartungen für den wichtigen Technologiesektor. Die acht größten Unternehmen des S&P 500, allesamt Tech-Unternehmen, besitzen eine Marktkapitalisierung von mehr als 22 Billionen US-Dollar und repräsentieren damit fast 40 Prozent der Kapitalisierung des S&P 500. Der KI-Boom eröffnet diesen Unternehmen möglicherweise neue Wachstumsmöglichkeiten, die hohe Bewertungen rechtfertigen könnten. Der Bedarf an Rechenkapazität beispielsweise steigt exponentiell.
Der allgemeine Wachstumsoptimismus wird noch durch die zwar sehr volatile und scheinbar oft willkürliche, aber unternehmensfreundliche Politik der Trump-Regierung unterstützt. Steuererleichterungen, verbesserte Abschreibungsbedingungen, Deregulierung (u.a. Umwelt, Finanzmärkte), Bürokratieabbau, niedrigere Zölle auf Exporte, Schutz vor ausländischen Wettbewerbern und anderes mehr. Auch die ostentative Nähe der Tech-Häuptlinge zu Donald Trump ist in diesen Zeiten sicherlich kein geschäftlicher Nachteil.
Hinzu kommt, dass die US-Geldpolitik im September den Lockerungskurs wieder aufgenommen hat. Von niedrigeren Zinssätzen profitieren die Märkte mehrfach: Zum einen, weil Liquidität günstiger wird. Dann, weil die künftigen Erträge in der Gegenwart wertvoller werden, wenn der Satz zum Abdiskontieren künftiger Erträge fällt. Und schließlich, weil Zinssenkungen die konjunkturellen Abwärtsrisiken zu begrenzen helfen. Weniger Rezessionsgefahr (und eventuell mehr Inflation) bedeutet auch höhere erwartete Gewinne.
In Abwägung der Für und Wider haben wir uns im Sommer entschlossen, die Aktienquote in den Portfolios zurückzufahren. Eine leichte Untergewichtung ist aber kein Rückzug aus Aktien. Aktien spielen in unseren Dispositionen nach wie vor eine bedeutende Rolle. Dabei sind wir uns bewusst, dass angesichts der Bewertungssituation besondere Aufmerksamkeit geboten ist. Technologiewerte haben nach wie vor einen hohen Stellenwert in unserer Anlagestrategie. Die vergangenen Wochen haben wir genutzt, um durch einige Transaktionen die Diversifikation im Bereich der KI-Aktien auszubauen. So haben wir beispielsweise Nvidia aufgenommen und im Gegenzug Gewinne bei Werten wie z.B. TSMC, Broadcom oder Amphenol mitgenommen.
Stephan Rieke und Christian von Hiller
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